Abschuss eines vom Aussterben bedrohten Waldrapps in der Toskana: Artenschützer fordern endlich eine effiziente Bekämpfung dieser Umweltkriminalität
Newsletter 15.10.2021
Dieks war ein junges Waldrapp-Weibchen. Sie ist 2020 in Kärnten aufgewachsen und ihren Artgenossen in das Wintergebiet in der Toskana gefolgt. Dieser Vogel sollte eigentlich im Rahmen des europäischen Wiederansiedlungsprojektes zu den Gründern einer neuen Brutkolonie in Kärnten werden. Diese Hoffnung wurde am 26. September zunichte gemacht als der Vogel in einem ausgewiesenen Jagdgebiet in der Toskana illegal abgeschossen wurde.
Aufgrund der von Dieks GPS-Sender übermittelten Daten starb der Vogel am späteren Nachmittag im Arno Tal nahe Figline Valdarno. Unsere Bird Managerin Daniela Trobe wertet täglich die Daten der GPS-Sender aus. Am späten Nachmittag ist sie auf ungewöhnliche Daten von Dieks aufmerksam geworden. Der Vogel befand sich auf einer Waldlichtung und der integrierte Bewegungssensor zeigte nur geringe Aktivität. Daniela wartete besorgt auf die nächste Datenübertragung und diese bestätigte ihre Befürchtungen. Dieks starb vermutlich erst nach längerem Leiden. Es ist für uns schrecklich zu wissen, dass das Leben dieses Jungvogels so qualvoll zu Ende gehen musste.
Illegale Jagd ist die häufigste Todesursache der Waldrappe in Italien. Allein im vergangenen Jahr verloren fünf Vögel nachweislich durch illegale Abschüsse ihr Leben. In weiteren drei Fällen konnte die Todesursache zwar nicht direkt festgestellt werden, da die Vogelkörper nicht gefunden wurden. Aber die Rahmenbedingungen machen auch hier illegale Jagd als Todesursache wahrscheinlich. Zudem fanden sich auch im Röntgenbild eines verletzten Vogels mehrere Schrotkugeln im Körper verteilt.
Der Abschuss von Dieks als auch die meisten Vorfälle des vergangenen Jahres fanden in der Toskana statt. Damit ist dies die Region, in der gegenwärtig die meisten Waldrappe abgeschossen werden und auch in der Vergangenheit kam es dort zu zahlreichen illegalen Waldrapp-Abschüssen. So war es auch die Toskanische Provinz Livorno, in der erstmals ein italienischer Vogeljäger rechtskräftig wegen des Abschusses von zwei Walrappen verurteilt wurde.
Im Jahr 2017 wurde in Italien ein Nationaler Aktionsplan zur Bekämpfung illegaler Tötungen von Wildvögel veröffentlicht. Er definiert sieben Areale, sogenannte „Black Spots“, in denen es gehäuft zur illegalen Tötung oder zum Fang von Vögeln kommt und in denen vorrangig Maßnahmen umgesetzt werden sollen. Aber keines dieser sieben ausgewiesenen Areale befindet sich in der Toskana. Deshalb fordern Artenschützer auch dort die Ausweisung von „Black Spots“, vorrangig entlang der Tyrrhenische Küste. Im dort verlaufenden wichtiger Zugkorridor für Waldrappe und viele anderen Zugvogelarten fanden in der Vergangenheit gehäuft Abschüsse von Waldrappen statt.
Illegale Jagd ist eine substanzielle Bedrohung für die Artenvielfalt. Laut einer Studie von BirdLife International werden allein in Italien jährlich etwa 5,6 Millionen Vögel illegal getötet oder gefangen, hauptsächlich aufgrund von althergebrachten Traditionen. Davon sind auch gefährdete Zugvogelarten wie der Waldrapp betroffen, für die in ihren weiter nördlich gelegenen Brutgebieten umfangreiche Schutzmaßnahmen umgesetzt werden. Dafür stellt unter anderem die Europäische Gemeinschaft im Rahmen des LIFE Programms erhebliche Geldsummen zur Verfügung. Viele wichtige Erfolge dieser Artenschutzprojekte werden Jahr für Jahr durch illegale Jagd wieder zunichte gemacht.
Foto: Das junge Waldrapp-Weibche Dieks; Foto von Daniela Trobe