Spannender Abschluss der Herbstmigration
Newsletter 14.12.2020
Die Herbstmigration der Brutkolonien nördlich der Alpen ist zu einem Ende gekommen. An die 120 Vögel befinden sich in zurzeit im Wintergebiet WWF Oasi Laguna di Orbetello in der Toskana. Weitere 40 Waldrappe sind auf das Gebiet nördlich bis zum Südrand der Alpen verteilt. Wir rechnen damit, dass noch mehr Waldrappe das Wintergebiet erreichen, obwohl wir die Erfahrung gemacht haben, dass eine steigende Zahl an Vögeln den Winter nördlich davon verbringt. Diese fortschreitende Verkürzung der Zugdistanz in Teilen unserer Population, ist ein Phänomen, das auch in anderen Zugvogelarten immer häufiger beschrieben wird. Die Klimaerwärmung als Folge des Klimawandels ist die wahrscheinlichste Ursache für die Verkürzung der Zugwege.
Dieses Jahr wurden wir auf eine weitere Konsequenz der Klimaerwärmung aufmerksam. Rund 20 Vögel der Brutkolonien Burghausen und Kuchl blieben bis in den Dezember nördlich der Alpen. Bereits im Jahr 2014 waren wir mit einer ähnlichen Situation konfrontiert, bei der wir einen schmerzhaften Teil unserer Population verloren. Für die vergangene Woche wurde ein anhaltender Wintereinbruch für große Teile Österreichs angesagt, welcher uns dazu veranlasst hat, die verbleibenden Vögel im Inntal und südlich der Stadt Salzburg einzufangen. Die Adultvögel wurden daraufhin in Bozen freigelassen, sie kennen die Migrationsroute und werden den Zug Richtung Süden weiter fortsetzen. Die unerfahrenen Jungvögel hingegen mussten wir direkt bis in das Wintergebiet in der Toskana transferieren.
Aufgrund der sich rasch verändernden Umweltbedingungen werden solche Ereignisse in den nächsten Jahren häufiger auftreten. Simulationsmodelle konnten zeigen, dass die stetig wachsende Population durch solche stochastischen Ereignisse nicht gefährdet sein wird. Diese Erkenntnis bestätigt uns in dem Vorhaben, die Eingriffe in das Zugverhalten in Zukunft zu reduzieren. Im derzeitigen Stadium, in dem sich unsere Population befindet, sind eingreifende Maßnahmen jedoch gerechtfertigt und wie wir glauben auch notwendig.
Obwohl wir in diesem Jahr keine menschengeführte Migration umsetzen konnten, wuchs die Population von 142 Individuen Ende 2019 auf rund 160 Individuen mit Ende des Jahres 2020. Das Wachstum ist vorrangig durch die 27 geschlüpften Jungen in den Brutgebieten Burghausen und Kuchl, sowie durch die Integration weiterer 39 Jungvögel der Brutkolonie Rosegg in Kärnten in die Gesamtpopulation (wir haben in früheren Newslettern davon berichtet) begründet. Unsere Population besteht aktuell aus vier Brutkolonien, Burghausen in Bayern und Kuchl in Salzburg (rund 80 Vögel), Überlingen in Baden-Württemberg (rund 40 Vögel) und Rosegg in Kärnten (rund 40 Vögel).
Hinzu kommen ein Jungvogel der Konrad-Lorenz-Forschungsstelle in Oberösterreich und drei Jungvögel aus Fagagna in Friaul-Julisch Venetien (beides freifliegende sedentäre Kolonien), die sich im Wintergebiet unserer Population angeschlossen haben. Eine aufregende Entwicklung! In den kommenden Jahren werden wir uns vermehrt mit solchen, immer häufiger auftretenden Interaktionen auseinandersetzen müssen, wovon die wiederangesiedelte europäische Population im Endeffekt profitieren wird.
Foto: Im Wintergebiet haben sich knapp 160 Waldrappe aus den vier Brutkolonien, sowie aus den freifliegenden sedentären Kolonien der Konrad-Lorenz-Forschungsstelle und Fagagna gesammelt. D. Trobe