News von der Herbstmigration
Newsletter 05.11.2020
Die Herbstmigration der Waldrappe ist in vollem Gang. In den letzten Tagen haben immer mehr Waldrappe das Wintergebiet in der Toskana erreicht und auch alle anderen befinden sich mitten im herbstlichen Vogelzug.
Ein besonders spannendes Ereignis war der Flug von fünf Jungvögeln aus der Kolonie Rosegg in Kärnten unter Leitung des zugerfahrenen Weibchens Charlie. Die Gruppe hielt sich seit einiger Zeit gemeinsam mit weiteren Waldrappen in der Region Friaul-Julisch Venetien im Nordosten Italiens auf. Der Flug kann genau nachverfolgt werden, da alle Vögel mit GPS-Sendern ausgestattet sind. Am 20. Oktober um 10:19 Uhr verließ die Gruppe ihren gemeinsamen Schlafplatz. Nach einer halben Stunde erreichten sie Lido bei Venedig, querten die Poebene, flogen ab 15:20 Uhr in den Apennin und erreichten um 17:34 den Schlafplatz nördlich von Florenz auf einer Seehöhe von ca. 900 m. Somit flogen Charlie und die 5 Jungvögel 07:15 Stunden non-stop und legten bei einer mittleren Geschwindigkeit von 38 km/h eine Strecke von 279 km zurück!
Am nächsten Morgen starteten die Vögel bereits um 06:54 Uhr, ein ungewöhnlich früher Aufbruch, da die thermischen Bedingungen zu der Zeit noch schlecht sind. Entsprechend machten sie bereits nach 50 min und 21 km Flugstrecke eine längere Pause. Um 09:23 Uhr starteten sie wieder los und flogen dann non-stop bis ins Wintergebiet, das sie um 15:38 Uhr erreichten. An diesem zweiten Tag flogen sie 06:54 Stunden und legten bei einer mittleren Geschwindigkeit von 34 km/h weitere 226 km zurück.
Vermutlich erfolgte der frühe Abflug vom Schlafplatz am Apennin aufgrund einer Störung, was auch erklären würde, warum der weibliche Jungvogel Bea dort den Anschluss verlor. Bea blieb vorerst am Schlafplatz und flog um 10:38 Uhr allein weiter, geradlinig in die für unerfahrene Jungvögel typische Richtung Südsüdwest. Nach 05:38 Stunden und 154 km erreichte sie bei Punta Ala die Küste, zögerte kurz, flog dann weiter aufs Meer hinaus und übernachtete auf einer kleinen, vorgelagerten Insel. Am nächsten Tage kehrte sie aufs Festland zurück und flog weiter der Küste entlang Richtung Süden. Zu Mittag flog Bea wenige Kilometer östlich am Wintergebiet bei Orbetello vorbei, wo die übrigen Vögel ihrer Gruppe bereits am Vortag eingetroffen waren. Wir gehen davon aus, dass Bea mit keinen Artgenossen in Kontakt kam, denn sie setzte ihren Flug ohne Verzögerung fort und übernachtete etwa 30 km südlich des Wintergebietes.
Inzwischen ist Bea schon bei Rom und sie wird vermutlich weiter Richtung Süden fliegen. Ihr Verhalten ist charakteristisch für unerfahrene, ungeleitete Jungvögel. Sie migrieren offenbar einem angeborenen Richtungsvektor folgend nach Südsüdwest und korrigieren nötigenfalls die Richtung dem Küstenverlauf folgend. Flüge über das offene Meer werden meist vermieden. Das weitere Schicksal von Bea ist ungewiss. Wenn sie überlebt werden wir im Winter versuchen sie zu fangen und ins Wintergebiet zu bringen, sofern dies trotz der Maßnahmen zur Eindämmung von Covid19 möglich ist.
Die Ankunft der ersten Rosegger Jungvögel im Wintergebiet ist ein großer Erfolg für das Projekt und ein Meilenstein für die Gründung der bereits vierten Brutkolonie im Rahmen des Wiederansiedlungsprojektes.
Die Vögel der Brutkolonien Burghausen und Kuchl halten sich zum Großteil noch im Land Salzburg und im Inntal auf. Wir gehen aber davon aus, dass auch sie in den nächsten Tagen nach Süden aufbrechen werden. Zur gleichen Zeit liefern uns die GPS-Daten der jungen Brutkolonie in Überlingen am Bodensee allen Grund zur Freude. Alle 12 Vögel haben das Brutgebiet verlassen, während 2 Vögel zurzeit noch in Vorarlberg sind hat der Rest von ihnen bereits Italien erreicht. 6 Überlinger Waldrappe sind sogar schon an ihrem Ziel in der Toskana angekommen. Wie bald die nächsten Waldrappe das Wintergebiet erreichen, lässt sich mit der kostenlosen App Animal Tracker verfolgen.
Bildtext: Flugroute anhand der GPS Positionen; am Schlafplatz wurde Bea (gelb) von der Gruppe (grün) getrennt, flog dann allein weiter nach Südsüdwest und folgte dann dem Küstenverlauf. Ihr Verhalten ist charakteristisch für unbegleitet Jungvögel.