Spannender Auftakt der Herbstmigration
Newsletter 19.10.2020
Die Brutsaison in Burghausen und Kuchl ist mit 27 flüggen Jungvögeln in 9 Nestern erfolgreich abgeschlossen. Wie schon in den Jahren zuvor haben die Waldrappe ihre Brutgebiete im August verlassen und sich in Salzburg gesammelt. Mit dabei sind auch sechs Vögel der sedentären Kolonie der Konrad-Lorenz Forschungsstelle in Grünau im Almtal. Damit umfasst die Großgruppe, die sich derzeit nördlich der Alpen aufhält, insgesamt 53 Vögel.
Wir haben in den letzten Jahren die Erfahrung gemacht, dass für die Waldrappe die direkte Flugroute von Salzburg aus Richtung Süden ungünstig zu sein scheint. Die Vögel fliegen ins obere Salzachtal und versuchen dann entweder auf direktem Südkurs weiter nach Kärnten oder über den Gerlospass ins Zillertal und dann nach Südtirol zu fliegen. Auf diesem Zugkorridor kommt es häufig zu Anflügen, die dann wieder abgebrochen werden. Dadurch verzögert sich die Migration und die Tiere laufen Gefahr infolge eines Wintereinbruchs festzusitzen. Wir gehen davon aus, dass die Vögel diese Routen insbesondere deshalb nach wie vor befliegen, weil wir die Gründerindividuen im Rahmen der menschengeführten Migrationen entlang dieses Zugkorridors geführt haben.
Gleichzeitig wählen immer mehr Waldrappe sowohl im Herbst als auch im Frühjahr einen zweiten Zugkorridor. Dieser Korridor führt ins Inntal und dann entweder über das Zillertal und das Pfitscher Joch oder den Brennerpass nach Südtirol. Diese westlichere Route scheint für die Vögel wesentlich effizienter zu sein, wir beobachten dort kaum abgebrochene Anflüge.
Wir haben uns deshalb entschlossen, diesen westlicheren Korridor zu fördern, indem wir insbesondere zugunerfahrene Jungvögel samt Leitvögeln von Salzburg in das Unterinntal transferieren. In kleineren Gruppen haben wir das schon in früheren Jahren gemacht und damit gute Erfahrungen gesammelt. In diesem Jahr haben wir das in größerem Umfang praktiziert. In den letzten zehn Tagen haben vier Leute aus unserem Team insgesamt 31 Vögel transferiert. 2 subadulte Waldrappe hielten sich bereits im Inntal auf, damit haben wir derzeit 33 Waldrappe im Inntal, weitere 20 Waldrappe halten sich weiterhin im Land Salzburg auf. Unter den 33 Waldrappen im Inntal sind zwei besenderte Jungvögel der Konrad-Lorenz Forschungsstelle.
Der Entschluss, in diesem Jahr nicht abzuwarten, sondern den Transfer in größerem Umfang bereits Anfang Oktober umzusetzen, hängt auch damit zusammen, dass wir damit rechnen müssen, später im Jahr aufgrund der zunehmenden Reiseeinschränkungen und Maßnahmen in Verbindung mit der COVID Pandemie in unserem Management stark eingeschränkt zu sein. Leider bestätigte sich diese Annahme rascher als erwartet. So wurde über die Gemeinde Kuchl im Land Salzburg, Brutgebiet einer unserer Waldrappkolonien, aufgrund der steigenden Infektionszahlen bereits eine Quarantäne verhängt.
Umso erfreulicher ist es, dass auch die Herbstmigration in der Brutkolonie Überlingen am Bodensee begonnen hat. Alle 12 Waldrappe, die sich den Sommer dort aufgehalten haben, sind wieder am Weg in den Süden, zwei Vögel haben bereits das Wintergebiet erreicht.
Und ebenfalls sehr spannend gestaltet sich die Herbstmigration in Kärnten. Dort wird seit letztem Jahr mit Jungvögeln der sedentären Rosegger Kolonie eine weitere migrierende Brutkolonie aufgebaut. Während die sedentären Rosegger Vögel kürzlich in die Voliere geholt wurden, wo sie den Winter verbringen, verblieben 37 Jungvögel im Freiflug. Um bei diesen Jungvögeln eine Zugtradition zu etablieren haben wir ihnen 6 zugerfahrene Leitvögel aus unserer Kolonie zur Seite gestellt. Von diesen 43 Waldrappen halten sich derzeit 12 Vögel noch in Kärnten auf, während die restlichen 31 Vögel bereits südlich der Alpen in Friaul ist.
Insgesamt 108 Waldrappe sind in diesem Jahr an der Herbstmigration beteiligt, so viele wie nie zuvor. Der Großteil dieser Vögel ist besendert. Sie können den weiteren Verlauf der Herbstmigration mittels der App Animal Tracker verfolgen; Foto: Rudolph Beck.