Vorzeitiges Ende zur Halbzeit? Neuerlich wurde unser Antrag zu einer weitere LIFE Finanzierung abgelehnt
Newsletter 02.06.2020
Seit kurzem wissen wir, dass auch der zweite LIFE-Projektantrag für eine Fortführung des Waldrapp-Wiederansiedlungsprojekt abgelehnt wurde. Ironischer Weise passiert das zu einer Zeit, wo wir uns einen besseren Verlauf des Projektes gar nicht wünschen können.
Trotz der erheblichen COVID-19 Einschränkungen beim Management, sind in den beiden Brutgebieten Burghausen (Bayern) und Kuchl (Land Salzburg) mehr als 30 Küken zu erwarten. Fünf Brutpaare brüten erstmals in den Nischen des prächtigen Konglomeratfels in Kuchl. In diesem Frühjahr sind bereits fünf Vögel der neu gegründeten Überlinger Brutkolonie in ihr Brutgebiet zurückgekehrt und weitere fünf Vögel befinden sich bereits nördlich der Alpen. Dies übertrifft unsere Erwartungen bei weitem und macht uns zum ersten Projekt weltweit, dem es gelungen ist eine Zugvogelart wieder zum Migrieren zu bringen und zwei distinkte Zugtraditionen zu gründen.
Die Erfolge des ausgelaufene LIFE+ Projekt sind im Abschlussbericht dargestellt. Wir konnten die gesetzten Ziele großteils nicht nur erreichen, sondern sogar übertreffen. Zum Beispiel konnten wir Verluste durch illegale Jagd in Italien halbieren. Dies ist ein wichtiger Erfolg im Kampf gegen diese bedeutende Form der Umweltkriminalität, aber die Kampagne muss fortgeführt werden, um nachhaltige Effekte zu erzielen. Die mediale Berichterstattung und die wissenschaftlichen Publikationen haben dieses LIFE+ Projekt weit über die Grenzen der Europäischen Gemeinschaft hinaus bekannt gemacht. In mehr als 50 TV-Produktionen und mehr als 500 Artikeln im Zeitraum des LIFE+ Projektes konnten wir Menschen in einem positiven Kontext für Natur- und Artenschutz interessieren und begeistern - Grund zur Hoffnung in einer Zeit, die von Krisen und Katastrophen dominiert ist.
Bereits unser erster Antrag für ein LIFE Folgeprojekt wurde abgelehnt. Ausschlaggebend dafür waren insbesondere finanztechnische und organisatorische Aspekte. Für den zweiten Antrag haben wir versucht, die Kritikpunkte aus der ersten Bewertung in einer umfassenden Überarbeitung zu berücksichtigen, auch der Kostenumfang wurde erheblich reduziert. Leider ohne Erfolg. Die Bewertung war weitgehend ident und das Projekt wurde neuerlich abgelehnt.
LIFE und NATURA 2000 ist wohl das größte und erfolgreichste Natur- und Artenschutzprogramm der Gegenwart. Eine wichtige und zukunftsweisende Initiative der Europäischen Gemeinschaft, davon sind wir nach Umsetzung unseres ersten LIFE+ Projektes überzeugt. Eine kritische und objektive Evaluierung der Anträge ist ein wichtiges Kriterium für den Erfolg. Die kürzlich erfolgte neuerliche Ablehnung unseres Antrages aufgrund finanzieller und organisatorischer Kritik ist aber schwer nachvollziehbar, zumal die Maßnahmen und Ziele des Projektes beide Male positiv bewertet wurden.
Modellierungen zur Überlebenswahrscheinlichkeit der im Rahmen des LIFE+ Projektes gegründeten europäischen Waldrapppopulation liefern positive Zukunftsprognosen. Das Ziel einer selbständig überlebensfähigen europäischen Population ist realistisch, allerdings nur wenn Management und Auswilderung noch über mehrere Jahre fortgesetzt werden. Ein vorzeitiges Ende des Projektes zum jetzigen Zeitpunkt, quasi zur Halbzeit, würde mit hoher Wahrscheinlichkeit das neuerliche Aussterben dieser europäischen Population zur Folge haben.
Deshalb machen wir weiter. Unser Engagement für ist überlebenswichtig für diese bedrohte Art. Wir sind allen Partnern, Sponsoren, Paten, Volontären und Waldrapp-Freunden verpflichtet und hoffen auf deren weitere Unterstützung, um das Projekt vorerst weiter umsetzen zu können. Zur längerfristigen Sicherung des Projektes werden wir aber neuerlich einen LIFE Antrag einreichen, in dem wir die Kritik der Experten noch umfassender berücksichtigen werden. Der Waldrapp sollte die Chance bekommen, wieder ein fester Bestandteil der europäischen Fauna zu werden. Grund zur Hoffnung bleibt unser Motto.
Foto: Zeugen des Erfolges – drei Waldrappe in Überlingen am Bodensee; nach 400 Jahren kehren Waldrappe wieder in dieses ehemalige Brutgebiet zurück (Foto Rudolf Beck).