Höhepunkte des Waldrapp-Projektes: Start-up für zwei neue Brutkolonien
Newsletter 11/05/2020
Am 7. Mai landete das Männchen Zoppo im Brutgebiet Überlingen am Bodensee. Es ist der erste erwachsene Waldrapp, der 400 Jahren nach der Ausrottung wieder selbständig in dieses ehemalige Brutgebiet zurückkehrt. Zoppo ist am 29. März im Wintergebiet Laguna di Orbetello aufgebrochen, am 7. April in die Schweiz geflogen, querte dort drei Mal die Alpen und hielt sich dann seit 23. April im Schweizer Alpenvorland auf. Nach einem kurzen Aufenthalt im nahen Frankreich und einer Schlechtwetterphase flog Zoppo schließlich Richtung Bodensee und erreichte am 7. Mai Überlingen. Bereits am 6. Mai wurde ein weiterer Meilenstein erreicht, als erstmals ein Waldrapp aus dem Wintergebiet in den Tierpark Rosegg in Kärnten zurückkehrte. Das Männchen namens Phebe wird damit zum Gründer einer ersten wildlebenden migrierenden Waldrapp-Kolonie südlich der Alpen. Erfolgreicher könnte der bisherige Verlauf der Saison 2020 kaum sein.
Im Brutgebiet traf Zoppo auf seine ehemaligen Ziehmutter Anne-Gabriela Schmalstieg. Er erkannte sie sofort, die Wiedersehensfreude war beiderseits offensichtlich groß. Anne brachte Zoppo zu einer künstlichen Brutstruktur, gleich oberhalb der Molassefelsen am Bodenseeufer. Dort sollten die Überlinger Waldrappe anfangs brüten, um dann gemeinsam mit ihren Küken in die Naturfelsen am Bodensee übersiedelt zu werden. Aufgrund der COVID-19 Pandemie konnte die Brutstruktur allerdings für diese Saison nicht zeitgerecht fertiggestellt werden. Es fehlt vor allem die Voliere, um die ankommenden Vögel zu sammeln und an den für sie noch unbekannten Ort zu gewöhnen.
Zoppo hat in Überlingen bereits Gesellschaft bekommen, das zweijährige Weibchen Bonsi ist am 10. Mai angekommen. Drei weitere Überlinger Waldrappe haben bereits die Alpen überquert und halten sich aktuell in der Schweiz auf. Zusätzlich sind noch 12 Waldrappe der Brutkolonie Überlingen in Italien auf dem Weg Richtung Norden. Das ist für das Projekt ein großer Erfolg, auch wenn es in diesem Jahr vermutlich noch zu keiner Brut kommen wird. 2021 ist aber jedenfalls mit einer Brut zu rechnen, rechtzeitig zur Landesgartenschau in Überlingen, die auch auf 2021 verschoben werden musste.
Die Rückkehr von Phebe nach Rosegg in Kärnten begeistert Emanuel Lichtenstein, den Besitzer des Tierpark Rosegg und die Tierpflegerin Lynn Hafner mindestens ebenso sehr wie das Waldrappteam. Der Vogel hat eine spannende Geschichte. Er entstammt der zooeigenen, freifliegenden, nicht migrierenden Rosegger Brutkolonie. Im Herbst 2018 flog er mit 10 Artgenossen überraschend aus Rosegg Richtung Süden ab. Die unbesenderten Vögel wurden einige Tage später bei Rom gesichtet und blieben dann verschwunden. Erst Anfang Dezember wurden zwei dieser Vögel in den Abruzzen gesichtet, dort von Daniela Trobe eingefangen und im Wintergebiet in der Toskana in die migrierende Population integriert. Dieses Ereignis wurde zum Auslöser für die Zielsetzung, die Rosegger Kolonie sukzessive in die migrierende Wildpopulation zu integrieren und so eine erste Brutkolonie südlich der Alpen zu gründen. Phebe wird in diesem Jahr wahrscheinlich noch nicht brüten, aber seine Rückkehr ist ein Meilenstein für die Gründung der vierten europäischen Brutkolonie im Rahmen des Wiederansiedlungsprojektes.
Foto: Ziehmutter Anne-Gabriela Schmalstieg zeigt Zoppo die - leider COVID-19 bedingt noch nicht ganz fertigen - Brutstrukturen in Überlingen am Bodensee. Foto: Hanspeter Walter
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