Stromtod in der Schweiz: Sonic stirbt auf einem Strommast in Graubünden
Newsletter 24/04/2020
Bereits 2019 hat das Weibchen Sonic Berühmtheit erlangt, da sie als erster Waldrapp wieder in das ehemalige Brutgebiet bei Überlingen am Bodensee zurückkehrte. Inzwischen geschlechtsreif, ist Sonic im April neuerlich aus der Toskana aufgebrochen. Sie verbrachte die Nacht auf den 19. April im Gemeindegebiet von Lohn im Naturpark Beverin, Graubünden. Dort wurde sie am darauffolgenden Morgen von einer Bewohnerin des Ortes unterhalb eines ungesicherten Strommasten tot aufgefunden. Ein Wildhüter barg Sonic und brachte sie zur pathologischen Untersuchung ins Tierspital Bern.
Stromschlag an ungesicherten Mittelspannungsmasten ist eine Bedrohung für die Artenvielfalt, die bislang viel zu wenig Beachtung bekam. Während des LIFE+ Projekts (2014-2019) wurden 35% der Todesfälle bei unseren Waldrappen durch Zwischenfälle an Strommasten verursacht. Dahingehende Daten gibt es auch für den Uhu in der Schweiz. Bei einer Studie im Kanton Wallis waren etwa ein Drittel der Totfunde auf Stromschlag zurückzuführen. Betroffen sind neben dem Waldrapp und dem Uhu auch andere Großvogelarten, wie der Weißstorch, der Rotmilan oder der gegenwärtig in der Westschweiz angesiedelte Fischadler. Grundsätzlich sind alle Vögel ab einer Flügelspannweite von ca. 70 cm stromschlaggefährdet.
Die klimawandelbedingt zunehmende Hitze und Trockenheit in vielen Regionen Europas erhöht zudem das Risiko, dass die durch Stromschlag getöteten Vögel Brände verursachen, wenn sie auf die ausgetrocknete Vegetation unterhalb der Masten fallen.
Dabei sind Maßnahmen zur Sicherung von Stromleitungen relativ einfach und kostengünstig umzusetzen. Im Bereich der Masten können Leitungen mit Kunststoffummantelungen isoliert und so gesichert werden Die Wirksamkeit zeigt sich in Deutschland, wo auf der Basis einer gesetzlichen Regelung inzwischen mehr als 90% aller Masten bundesweit gesichert sind. Unsere Waldrappe halten sich viel in Süddeutschland auf, seit Jahren gab es dort keine Verluste mehr durch Stromschlag.
In anderen Ländern, wie der Schweiz, Italien oder Österreich, sind nur vereinzelt Maßnahmen umgesetzt. In Zusammenarbeit mit den zuständigen Stromnetzbetreibern konnten in Salzburg und Oberösterreich Risikomasten in den Nahrungsgebieten der Waldrappe gesichert werden. Weitere tausende, gefährliche Strommasten in diesen Ländern sind jedoch weiterhin ungesichert. In der Schweiz fordert deshalb unter anderem die Schweizer Zoovereinigung zooschweiz die umfassende Sicherung gefährlicher Strommasten bis Ende 2025.
Für das Wiederansiedlungsprojekt ist der Verlust von Sonic wohl ein herber Rückschlag, der die Gründung der Brutkolonie in Überlingen jedoch nicht gefährdet. Weitere elf Vögel sind derzeit am Weg aus der Toskana in das Brutgebiet. Sie werden in den nächsten Tagen und Wochen hoffentlich wohlbehalten in Überlingen ankommen. Ob es in diesem Jahr schon zur ersten Brut kommt bleibt fraglich. Das nötige Brutmanagement für die noch junge Kolonie ist aufgrund der aktuellen COVID-19 Pandemie nur stark eingeschränkt möglich.
In den beiden schon etablierten Brutkolonien Burghausen in Bayern und Kuchl im Land Salzburg sind bereits sieben Paare angekommen und haben zum Teil schon die ersten Eier gelegt.
Foto: Das Weibchen Sonic wurde unterhalb dieses Masten tot aufgefunden. Derartig ungesicherte Abspannmasten sind für Vögel besonders gefährlich. Foto links D. Trobe, rechts M. Egle.
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