Waldrappe in Kroatien
Newsletter 20/12/2019
Wie bereits berichtet verzögerte sich in diesem Jahr der Beginn der Herbstmigration unserer Waldrappe. Am 22. November begannen die Vögel nördlich der Alpen und in Kärnten unabhängig voneinander in Richtung Süden zu migrieren. In Kärnten war dann aber wieder Pause, wahrscheinlich wegen des anhaltend schlechten Wetters mit Nebel und geringer Sicht. Am 11. Dezember, dem ersten Tag mit gutem Flugwetter, überquerten neun Jungvögel und drei Adulte von Ferlach aus den Loiblpass nach Slowenien. Dann flogen sie in Richtung Südwesten, bis sie bei Rovinj in Istrien die Küste erreichten. Von dort folgten sie der kroatischen Küstenlinie weiter Richtung Süden bis nach Zadar.
Wir hofften, dass die erfahrenen Leitvögel die Gruppe wieder retour nach Norden und auf den richtigen Weg zum Überwinterungsgebiet führen würden. Leider starben aber kurz nach der Ankunft in Zadar mindestens drei Vögel, alle höchstwahrscheinlich durch illegale Jagd. Zwei der getöteten Vögel waren zudem erwachsene Leitvögel. Wir erstatteten Anzeige und gemeinsam mit der kroatischen Polizei und BIOM-Birdlife Croatia versuchen wir derzeit, die Täter ausfindig zu machen. Zwei Mitglieder unseres Teams, Corinna Esterer und Alexander Schmied, sind vor Ort.
Durch den Verlust der beiden Leitvögel sind nun mehrere Jungvögel ohne Anführer und haben damit keine Chance, das gemeinsame Wintergebiet zu erreichen. Corinna und Alexander versuchen deshalb, diese Jungvögel zu fangen, um sie mit zugerfahrenen Vögeln in Norditalien zusammenzubringen.
So bedauerlich dieses „falsche Einfädeln“ der Vögel Richtung Kroatien ist, es hilft uns auch zu einem tieferen Verständnis des Zugverhaltens der Waldrappe. Wir haben wiederholt beobachtet, dass die Vögel über große Distanzen der direkten Geraden in Richtung ihres Ziels folgen. Auch bei dieser Gruppe war das anfänglich der Fall, nachdem sie die Karawanken überquert hatten. Sie folgten der Geraden Richtung Wintergebiet, bis sie in Istrien am Meer ankamen.
Da die Waldrappe normalerweise keine offenen Gewässer überfliegen, mussten sie ausweichen. Verschiedene Beobachtungen legen nahe, dass die Vögel in solchen Situationen wahrnehmen, ob sie sich weiterhin dem Ziel nähern oder davon entfernen. Damit wird verständlich, warum sie in Istrien vom direkten Kurs nicht nach Norden auswichen. Dadurch hätten sie sich vorerst wieder weiter vom Wintergebiet entfernt. Stattdessen wichen sie nach Süden aus, wodurch der Abstand zum Wintergebiet gleichblieb bzw. sich weiter verringerte.
Spannend ist, dass Zadar am kroatischen Festland südlich von Istrien der nächstgelegene Punkt zum Überwinterungsgebiet in der Toskana ist. Dort stoppten die Waldrappe ihren Flug. Wären die Vögel von dort aus weiter der Küste entlang nach Süden geflogen, hätte sich ihr Abstand zum Wintergebiet wieder vergrößert.
Mit diesem Ansatz lassen sich auch eine Reihe anderer Flugmuster der Waldrappe schlüssig erklären, und das nicht nur bei unserer europäischen Population. Damit ist uns in der gegenwärtigen Situation in Kroatien wenig geholfen. Aber ein tieferes Verständnis des Verhaltens ermöglicht es, das Management im Rahmen der Wiederansiedlung und Arterhaltung weiter zu optimieren.
Die aktuellen Vorfälle zeigen leider, dass die illegale Vogeljagd nicht nur in Italien ein gravierendes Problem für den Artenschutz darstellt. Aufgrund unserer Erfahrungen ist die Chance gering, die Täter zu identifizieren. Das wird wohl auch in Kroatien nicht anders sein. Wir hoffen aber, dass durch die Anzeige und durch Medienberichte zumindest die Öffentlichkeit und die Jägerschaft für dieses Problem sensibilisiert wird. In Italien ist uns das inzwischen gelungen. Das Projekt und die Waldrappe sind der breiten Öffentlichkeit und dem Großteil der Jägerschaft bekannt. Infolge ist auch die Verlustrate durch illegale Jagd während des LIFE Projektes erheblich gesunken.
Bild: Gezeigt werden die GPS-Positionen zweier ausgewachsener Vögel: „Poncho“ und „Donatello“. Sie waren Teil der Gruppe von 12 Vögeln, die gemeinsam die Adriaküste in der Nähe von Rovinj in Istrien erreichte. Von dort aus folgten sie der Küste bis nach Zadar. Sowohl Rovinj als auch Zadar sind ca. 350 km vom Überwinterungsort entfernt. Von Zadar nach Süden nimmt die Entfernung wieder zu.
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