Globaler Appell für den Artenschutz
Newsletter 24/10/2019
Im Frühjahr 2019 hat der Weltbiodiversitätsrat der Vereinten Nationen alarmierende Zahlen zum Artensterben vorgelegt. Von den geschätzten acht Millionen Tier- und Pflanzenarten unseres Planeten sind rund eine Million vom Aussterben bedroht. Jetzt wenden sich die Artenschutz-Experten der IUCN (International Union for Conservation of Nature) mit dem Abu Dhabi Appell an die Weltgemeinschaft. Sie fordern dringend wirksame Maßnahmen, um die dramatisch zunehmenden Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf wildlebende Arten zu bekämpfen.
Laut Roter Liste der bedrohten Arten sind 27% aller registrierten Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht. Bei einzelnen Gruppen ist dieser Anteil bereits wesentlich höher. So sind 40% der Amphibienarten, 33% der Korallenarten und 30% der Hai- und Rochenarten bedroht1. Dabei ist ein Großteil der geschätzten 8 Millionen Pflanzen- und Tierarten noch nicht einmal beschrieben und klassifiziert. Die Vereinten Nationen gehen davon aus, dass pro Tag bis zu 150 Arten aussterben, wobei der Großteil davon unbekannte Arten sind2. Die aktuelle Aussterberate ist laut IUCN mindestens 1.000-mal höher als die übliche Aussterberate in der Erdgeschichte, und diese Rate steigt stetig3.
Vorrangiger Verursacher des Artensterbens ist der Mensch. Im Abu Dhabi Apell führen die Experten an, dass bereits 75% der Landfläche und 66% der Ozeane durch die Menschen nachhaltig verändert wurden. Demgemäß sehen die Experten schlechte oder missbräuchliche Praktiken in der Land-, Fischerei- und Forstwirtschaft als wesentliche Ursachen für den Artenschwund. Hinzu kommen illegale Jagd und illegaler Handel, unzureichende Entsorgung von Abfällen und Abwässern, das Einschleppen gebietsfremder Arten sowie der zunehmend Klimawandel und die Ozeanversauerung.
Angesichts der dramatischen Situation fordern die Experten die Weltgemeinschaft auf, die unersetzliche und lebenswichtige Rolle der Arten und ihrer Populationen zu erkennen und die Bemühungen zur Erhaltung aller Arten massiv zu verstärken. Bis 2030 soll das vom Menschen verursachte Aussterben gestoppt und bis 2050 das Überleben aller bedrohten Arten sichergestellt werden.
Diese Zielsetzung klingt angesichts der aktuellen Situation eher wie ein frommer, aber unrealistischer Wunsch. Der Klimawandel und der Artenschwund sind globale Herausforderungen, die wir nicht in wenigen Jahren bewältigen können. Aber wir brauchen ambitionierte Zielsetzungen und vor allem auch Optimismus.
Grund für Optimismus geben unter anderem die Natur- und Artenschutzinitiativen der Europäischen Gemeinschaft. Natura 2000 ist das weltweit größte Netzwerk geschützter Flächen. Es umfasst aktuell 18% der Landfläche und 9,5% der Meeresfläche in der Europäischen Gemeinschaft4. LIFE ist das zugehörige Finanzierungsinstrument. Seit 1992 wurden bislang mehr als 4.600 Projekte in den EU-Mitgliedsstaaten kofinanziert.
Angesicht des rasant fortschreitenden Artensterbens sind Artenschützer zunehmend gefordert, ihren Fokus über die Interessen einer einzigen Art hinaus zu erweitern. Wir nutzen das Waldrapp-Projekt, um Artenschutzmethoden zu entwickeln, Grundlagenforschung zu betreiben oder um in internationalen Kampagnen prioritäre Todesursachen für viele Vogelarten zu bekämpfen. All diese Maßnahmen betreffen Forderungen, die auch im Abu Dhabi Apell angeführt sind.
Eine unserer Kampagnen widmet sich dem Stromtod von Vögeln an ungesicherten Mittelspannungsmasten. 33% der Verluste bei den wildlebenden Waldrappen sind darauf zurückzuführen und es ist davon auszugehen, dass viele andere Großvogelarten in einem ähnlichen Ausmaß davon betroffen sind. Dabei gibt es eine einfache technische Lösung für das Problem, indem die Leitungen im Bereich der Masten isoliert werden. Eine aktuelle Studie hat gezeigt, dass mit der Sicherung der Masten die Todesrate bei Großvögeln um 90% vermindert werden kann. In Deutschland sind inzwischen aufgrund einer gesetzlichen Regelung die meisten Masten gesichert. Der Abu Dhabi Apell sollte Anlass geben, eine gesetzliche Regelung zum Sichern von Mittelspannungsmasten auch in Österreich, Italien und anderen Ländern umzusetzen.
Foto (Waldrappteam): Unser LIFE Projekt trägt den Optimismus im Namen: LIFE Reason for Hope. Dank erfolgreicher Zuchtprogramme und internationaler Artenschutzinitiativen haben sich die Prognosen für den Waldrapp inzwischen deutlich verbessert.
1 https://www.iucnredlist.org/
2 https://www.cbd.int/doc/speech/2007/sp-2007-05-22-es-en.pdf
3 https://www.iucn.org/theme/species/about
4 https://ec.europa.eu/environment/nature/info/pubs/docs/nat2000newsl/ENG%20Natura2k%2046%20WEB.pdf
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