Herbstmigration 2018
Newsletter 27/10/2018
Die Herbstmigration 2018 hat ganz regulär Anfang August begonnen. Zu der Zeit verlassen die Vögel aus Burghausen und Kuchl ihre Brutgebiete und sammeln sich im Alpenvorland.
Ab Mitte September erwarten wir dann aufgrund der bisherigen Daten die Überquerung der Alpen. Dieses Jahr war allerdings Geduld angesagt. Anfang Oktober begannen zuerst die subadulten Vögel, die den Sommer südlich der Alpen verbracht hatten, zurück in das Wintergebiet zu fliegen.
Seit dem 22. Oktober ist die Herbstmigration auch bei den verbleibenden Vögeln am Alpennordrand im Gange. Ein großes Highlight war eine Gruppe von acht Vögeln, bestehend aus 2 adulten, zugerfahrenen Tieren und sechs Jungvögeln: Am 22. Oktober startete die Gruppe im Inntal in Tirol und flog ca. 280 km bis zum Gardasee. Der 23. Oktober brach dann alle bisherigen Rekorde. Die Gruppe flog in einem Stück über 400 km (!!) bis in das Wintergebiet. Noch nie hatten wir eine derart große Tagesflugdistanz gemessen und nach unseren Kenntnissen waren derart große Distanzen für Waldrappe bislang generell unbekannt.
In der Gruppe der acht Vögel war einer jener Jungvögel, die wir Ende Juli aus dem Zoo Zürich transferiert hatten, um die genetische Variation in unserer Population zu optimieren. Das war die erste derartige „Supplementierung“ und dieser Vogel namens Silvretta zeigte, dass die Methode funktioniert.
Ein zweiter Vogel aus dem Zoo Zürich, das Männchen Säntis, hatte im September den Kontakt zu seinen Artgenossen verloren, war in die Schweiz geflogen und hielt sich seitdem am Zürichsee auf. Von dort startete Säntis dann fast zeitgleich mit den 8 Vögel in Tirol und flog am ersten Tag rund 220 km auf einem Kurs direkt über die Westalpen bis nach Zermatt. Am 24. Oktober flog Säntis dann am Matterhorn vorbei ins Aostatal und weiter nach Italien bis in die Nähe von Turin. Die höchste GPS Position lag bei annähernd 2.800 Metern Seehöhe. Damit lieferte Säntis nach unseren Kenntnissen die höchste bislang gemessene Flugposition eines Waldrapps.
Spannend ist auch der Vergleich der Flugrouten dieser beiden Zürcher Vögel. Silvretta folgte den zugerfahrenen Artgenossen auf einem perfekten Südkurs direkt ins Wintergebiet in der Toskana. Säntis war dagegen auf sich allein gestellt und folgte konsequent einem Süd-West Kurs. Derartige Daten zeigen eindrücklich das Wechselspiel zwischen genetischer und sozial erlernter Information: Junge Waldrappe sind genetisch an das Zugverhalten angepasst. Im Herbst des ersten Lebensjahres benötigen sie aber die Hilfe von Artgenossen, um in das gemeinsame Wintergebiet zu gelangen.
Säntis hat den schwierigsten Teil der Migration allein geschafft, wenn auch auf Umwegen. Wir beobachten ihn anhand der GPS Positionen weiter und hoffen, dass er in Italien bleibt. Vielleicht trifft er dort auf migrierende Artgenossen. Ansonsten werden wir früher oder später versuchen Säntis zu fangen, um ihn ins Wintergebiet in der Toskana zu bringen.
Abbildung: Die Karte zeigt die Flugrouten der beiden Zürcher Jungvögel. Während Silvretta den Artgenossen direkt in das Wintergebiet folgte, war Säntis auf sich allein gestellt und flog einem genetischen Richtungsvektor folgend konsequent Richtung Süd-West
Klicken Sie hier um zum Newsletter-Archiv zu gelangen.