Jagd-Prozess kurz vor Abschluss
Newsletter 12/09/2016
Vor annähernd vier Jahren, am 13. Oktober 2012, war das Waldrapp-Weibchen GOJA auf dem Flug zum Überwinterungsgebiet in der südlichen Toskana, gefolgt von dem Jungvogel JEDI. In der Provinz Livorno, nur 80 km vom Überwinterungsgebiet entfernt, wurden beide Vögel von einem Jäger erschossen, der die Lizenz zur Jagd auf Ringeltauben hatte. Jetzt endlich, am 13. September 2016, findet in Livorno die abschließende Anhörung in diesem Fall statt. Der moralische und materielle Schaden wird mit 20.000 Euro bewertet.
Anne-Gabriela Schmalstieg war kurz nach dem Abschuss vor Ort: "Zuerst habe ich den Jungvogel JEDI gefunden, lebendig, auf dem Boden kriechend und stark blutend. Bald darauf fand ich GOJA, auch stark blutenden und auf dem Boden liegend. Ich habe alles versucht, um den beiden Vögel zu helfen, aber ich konnte nicht verhindern, dass GOJA in meinen Armen starb. Das war für mich eine Tragödie, es fühlte sich an wie einen guten Freund zu verlieren." Auch JEDI starb bald darauf in einem Veterinärzentrum in Livorno (CRUMA).
GOJA und JEDI sind der erste und bislang einzige Fall, in dem der Wilderer identifiziert werden konnten. Deshalb ist dieser Fall ist für uns von großer Bedeutung. Wir sind sehr zuversichtlich, dass der Jäger aufgrund der zwingenden Beweislast verurteilt wird. Wilderei ist keine triviale Angelegenheit, sondern eine ernsthafte Bedrohung für die angesiedelten Waldrappe und andere bedrohte Zugvogelarten. Wir möchten unserer Rechtsanwältin Frau Carla Campanaro und der Provinzpolizei von Livorno für das Engagement in diesem Fall danken.
Auch die Europäische Kommission äußerte ihre Besorgnis darüber, dass die Zielesetzungen dieses LIFE+ Projektes durch die Wilderei in Italien ernsthaft gefährdet werden. Die Europäische Kommission verfolgt deshalb den Prozess mit großem Interesse.
Im September 2016 wurde der junge Waldrapp KATO tot in einem Feld in der Nähe von Punta Ala in der Toskana gefunden. Die GPS-Daten weisen darauf hin, dass er am 1. September gestorben ist, dem ersten Tag der Vogeljagd in der Toskana in diesem Jahr. Eine erste Röntgenuntersuchung lässt Schrotpellets im Körper des Vogels vermuten, die tierärztliche Untersuchung ist jedoch noch nicht abgeschlossen.
Somit ist die illegale Jagd nach wie vor eine große Bedrohung für unsere Vögel. Inzwischen konnten wir Kooperationen mit wichtigen Jagdverbänden in Italien etablieren, unter anderem mit der Federazione Italiana della Caccia, bei welcher der angeklagte Jäger Mitglied ist. Aus unserer Sicht wird mit derartigen Fällen von Wilderei das internationale Ansehen von Italien und insbesondere jenes der italienischen Jägerschaft ernsthaft beschädigt. Aus diesem Grund sollte eine rechtmäßige Verurteilung im laufenden Prozess auch im Interesse der italienischen Jägerschaft sein.
Foto (Anne-Gabriela Schmalstieg): Junger Waldrapp im Flug; die Positionen aller Vögel können aufgrund der GPS-Geräte auf dem Rücken verfolgt werden.
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