PLOS ONE: Wie schafft das der Waldrapp?
Newsletter 18/09/2015
Zugvögel legen bei ihren jährlichen Migrationsflügen enorme Distanzen zurück. Wie ist es einem kleinen Vogel möglich, bis zu 200 Stunden lang ununterbrochen mit den Flügeln schlagend von Europa in das tropische Afrika, von Kanada nach Europa oder über den Pazifik von Alaska bis Neuseeland zu fliegen? Eine neue Studie des Waldrappteams, Österreich, des Instituts für Vogelforschung in Wilhelmshaven, Deutschland, der Universität Wien, der Vet-Med. Universität Wien und der Universität von Groningen, Holland, die aktuell in der Zeitschrift PLOS ONE veröffentlicht wurde, führt uns einen wichtigen Schritt weiter, um diese extremen Ausdauerleistungen zu verstehen.
Das Waldrappteam trainiert junge Waldrappe (Geronticus eremita) darauf, einem Ultraleichtflugzeug zu folgen. Während einer von den Ultraleicht-Fliegern geleiteten Migration von Österreich nach Italien flogen die Forscher mit den Vögeln im Rahmen dieser experimentellen Studie über verschiedene Distanzen. Die Wissenschaftler um Prof. Dr. Franz Bairlein vom Institut für Vogelforschung in Wilhelmshaven nahmen vor und unmittelbar nach jedem Flug Blutproben. Zur Feststellung der physiologischen Leistungsfähigkeit der Tiere wurde eine stabile Isotopen-Technik für die Beurteilung des Energieaufwandes mit einem sportmedizinischen Ansatz kombiniert. Diese Methode wurde erstmals unter Freilandbedingungen angewandt.
Die Ergebnisse zeigten, dass längere Flüge energetisch deutlich günstiger waren als kurze Flüge und zudem günstiger als bisher vorhergesagt. Der Treibstoff für diese langen Flüge ist in erster Linie Fett, das die Vögel vor Beginn der Migration einlagern. Die Fettverbrennung während des Fluges liefert die notwendige Energie. Dieser Stoffwechsel stellt zusätzlich auch Wasser zur Verfügung, weshalb die Vögel bei langen Flügen nicht auf Trinkwasser angewiesen sind. Die Flugmuskulatur wird durch eine effiziente Beatmung sehr gut mit Sauerstoff versorgt. Dennoch geraten die Vögel während des Fluges in den Bereich des anaeroben Stoffwechsels, was zur Akkumulation von Milchsäure führt. Trotzdem scheinen die Tiere durch die Muskelübersäuerung nicht in ihrer Leistungsfähigkeit beeinträchtigt zu werden, wahrscheinlich weil sie in der Lage sind, Milchsäure in nicht-schädliche Stoffe umzuwandeln. Dieses Verfahren liefert zudem noch zusätzliche Energie. Derart effiziente Mechanismen führen zu einer substantiellen Erhöhung der Leistungsfähigkeit und tragen mit dazu bei, dass Zugvögel diese einzigartigen Langstreckenflüge durchführen können.
Des Weiteren konnte im Rahmen der menschengeführten Migrationsflüge mit Waldrappen gezeigt werden, dass Vögel durch den Formationsflug Energie sparen können (Portugal et al. 2014, NATURE 505, 399–402). Dies ist ein weiterer Mechanismus, der den Zugvögeln die Langstreckenflüge ermöglicht. Der Waldrapp wurde im Rahmen dieser Studien zu einer prioritären Modellart für die Erforschung des Vogelzugs.
Der Waldrapp ist eine akut vom Aussterben bedrohte Zugvogelart. Im Rahmen eines seit 2014 von der Europäischen Union kofinanzierten Wiederansiedlungsprojekts (LIFE+) wollen das Waldrappteam und acht Partner aus Deutschland, Österreich und Italien den Waldrapp als heimische Zugvogelart wieder in Europa ansiedeln.
Paper Download: http://dx.plos.org/10.1371/journal.pone.0134433
Bilder Download: https://www.dropbox.com/sc/1w77vmu3wqon75i/AAC8lHFdJgbXMZMHvpX2A2t9a
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