Illegale Jagd auf Waldrappe in Italien
Newsletter am 08.01.2015
Illegale Jagd auf vom Aussterben bedrohte Waldrappe in Italien:
Die Provinz Livorno in der Toskana erweist sich als ein Hot Spot der illegalen Vogeljagd
Im Oktober 2014 wurde der vierjährige männliche Waldrapp HELLA in der Provinz Livorno, Toskana, tot aufgefunden. Röntgenaufnahmen zeigten zahlreiche Schrotkörner im Körper des Vogels, ein unzweifelhafter Hinweis auf die illegale Jagd als Todesursache. Illegale Abschüsse in Italien haben in der Vergangenheit rund 70% der Todesfälle bei den wiederangesiedelten Waldrappen verursacht. Die Provinz Livorno in der Toskana erweist sich als ein Hot-Spot für die illegale Jagd auf diese stark bedrohte Vogelart. Es ist davon auszugehen, dass auch andere bedrohte Vogelarten in ähnlich hoher Zahl abgeschossen werden.
HELLA gehörte zu einer noch kleinen Population von rund 40 wiederangesiedelten Waldrappen. Ende September 2014 verließ der Vogel sein Brutgebiet in Bayern und flog in Richtung des Wintergebietes, ein WWF Schutzgebiet in der südlichen Toskana. Am 22. Oktober fand ein Jäger den Körper von HELLA nördlich von Piombino in der Provinz Livorno. Beim Röntgen des toten Vogels wurden zahlreiche Schrotkugeln im Körper des Vogels als eindeutige Todesursache gefunden.
Bereits 2012, zwei Jahre zuvor, wurden die beiden Waldrappe GOJA und JEDI nur 6 km nördlich der Stelle abgeschossen, wo HELLA aufgefunden wurde. Da seit 2012 alle Vögel mit GPS-Sendern ausgestattet sind, konnten diese beiden Vögel rasch und noch lebend aufgefunden werden. Sie waren aber so schwer verletzt, dass sie kurze Zeit später verendeten. Dank der raschen Unterstützung durch die Provinzpolizei von Livorno konnte der Täter identifiziert werden. Er ist ein Mitglied des italienischen Jagdverbandes ‚Federazione Italiana Della Caccia‘. Ein Strafprozess gegen diesen Jäger soll im April 2015 stattfinden. Das Waldrappteam will als Kläger daran teilnehmen.
Ebenfalls vor zwei Jahren wurde der Waldrapp DOMINO in der Nähe von Cecina abgeschossen, wiederum nur etwa 30 km nördlich des Fundortes von HELLA. Dieser Vogel überlebte dank einer Notoperation, war aber aufgrund der schweren Flügelverletzungen in freier Wildbahn nicht mehr überlebensfähig.
Bereits 2011 erfolgte die letzte Übertragung des GPS-Signals von einem weiteren Waldrapp nur 500 m südlich der Fundstelle von HELLA. Fortan blieb dieser Waldrapp verschwunden. Somit wurden seit 2011 in einem Areal mit einer Ausdehnung von nur 30 km, von Piombino im Süden bis Cecina im Norden, vier Waldrappe nachweislich illegal abgeschossen und ein weiterer Vogel verschwand spurlos.
Johannes Fritz, Leiter des LIFE + Projektes: "Offensichtlich erfolgt in der Provinz Livorno illegale Vogeljagd in großem Umfang. Die Verantwortlichen sind dringend aufgerufen rasch und nachhaltig Maßnahmen gegen diese inakzeptable Gefahr für bedrohte Vogelarten zu ergreifen!"
In Europa wurden der Waldrapp bereits vor 400 Jahren ausgerottet, primär infolge übermäßiger Bejagung. Gegenwärtig zählt dieser Ibis zu den seltensten Vogelarten der Erde. Er ist unmittelbar vom Aussterben bedroht. In der IUCN Red List ist er als hochgradig gefährdet eingestuft und daher weltweit streng geschützt.
Seit 2014 betreibt ein EU gefördertes LIFE+ Projekt mit acht Partnern aus Italien, Österreich und Deutschland unter der Leitung des Waldrappteams die Wiederansiedlung des Waldrapp als Zugvogel in Europa. Das Projekt ist der erste Versuch überhaupt, eine kontinental ausgestorbene Zugvogelart wieder heimisch zu machen. Die Europäische Kommission betont insbesondere das Potenzial des LIFE+ Projektes, im Rahmen der Kampagne gegen illegale Vogeljagd zur Umsetzung der Naturschutzpolitik der EU beizutragen.
Im Oktober 2014 übernahmen Vertreter von zwei großen italienischen Jagdverbänden, Federazione Italiana della Caccia und Federazione Cacciatori Toscani, jeweils eine Ehrenpatenschaft für Waldrappe aus der angesiedelten Population. Jane Goodall, weltbekannte Primatenforscherin und UN-Friedensbotschafterin, fungierte als Schirmherrin der Zeremonie im Parco Natura Viva bei Verona. In diesem Rahmen wurde eine Vereinbarung unterzeichnet, wonach die Jagdverbände die Wiederansiedlung der Waldrappe befürworten und eine kontinuierliche und aktive Unterstützung des Wiederansiedlungsprojektes zusichern. Insbesondere wurde eine Unterstützung bei Maßnahmen gegen die illegale Jagd auf Waldrappe und andere gefährdete Zugvogelarten entlang der italienischen Flugrouten vereinbart.
J Fritz: “Entsprechend der Vereinbarung ist es jetzt in der Verantwortung der Jagdverbände, die Aufklärung des Abschusses von HELLA zu unterstützen und alles Mögliche zu tun, um weitere Verluste zu vermeiden, vor allem in die Provinz Livorno in der Toskana."
Die illegale Vogeljagd ist eine große Bedrohung für gefährdete Zugvogelarten. Erhebliche Bemühungen zum Schutz der Arten in den Brutgebieten werden damit zunichte gemacht. Das Waldrapp-Projekt hat in diesem Zusammenhang eine besondere Bedeutung, da es den Umfang der illegalen Vogeljagd mit konkreten Zahlen belegen kann: Von 2002 bis 2012 sind insgesamt 60 Waldrappe aus der Kolonie des Projektes gestorben oder verschwunden. Rund 70% davon wurden entweder in Italien erschossen aufgefunden oder verschwanden während der Jagdsaison in Italien.
J Fritz: “Auch bei anderen gefährdeten Zugvogelarten muss man von einer derart hohen Verlustrate verursacht durch illegale Vogeljagd ausgehen. Ohne eine Verringerung dieser Verluste können sich die Bestände vieler bedrohter Arten nicht mehr erholen."
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